Freitag, Mai 25, 2007

Always already written

In der Literaturtheorie gibt es einen Begriff des Theoretikers Roland Barthes, der auch über Wrestling ein Werk verfasst hat. Er spricht davon, dass es keine originäre, neue Literatur gibt, da alles "always already written" sei. Jeder Satz schon einmal gesagt, jeder Gedanke schon einmal gedacht. In Zustimmung zu dieser These mache ich mir keine Illusionen, dass irgendwelche Gedanken, die ich im Bezug auf das morgige "große Spiel" habe oder äußere, völlig neu sind und den geneigten Leser in ihrer Einsichtskraft erschlagen werden. Nein, jeder Anhänger jedes Finalteams hofft am Tage zuvor auf den Sieg, engt seine Gedanken auf das Spiel ein und plant Sieg und Niederlage im Kopf minutiös durch. Jegliche Trivialitäten werden zu wichtigen Fakten. Michael Weiner, der Schiedsrichter des Finales, zum Glücksbringer für den FCN (die wichtigen Siege unter ihm sind auffällig), der AC Mailand, der in weiß am Mittwoch siegte, zum Vorbild und die Tatsache, dass erst ein Team, das Double holen konnte, das in der Woche zuvor Meister wurde (Bayern 1985/86), zum Hoffnungsträger.

Letztlich sind wir jedoch tatsächlich hilflose Geschöpfe, die auf der Tribüne des Olympiastadion, vor den Leinwänden auf den Plätzen und auf den Sofas vor den Fernsehern sitzen, unsere allgemeine Stimmung ausgeliefert zweiundzwanzig bis achtundzwanzig mehr oder weniger jungen Männern und dem Zufall. Mehr als hoffen bleibt uns nicht, außer der Gewissheit das eigene Team tatsächlich in einem Finale erlebt zu haben. Jene Gewissheit führt bei mir zu einem ganz eigenen Art des historischen Bewusstseins. So wie man sich vor Abitur-, Führerschein- und Examensprüfungen bewusst werden kann, dass die Ergebnisse Teil der eigenen Identität werden, Teil der eigenen Geschichte, also einen Moment der eigenen Geschichtsschreibung darstellen, so reist man zu einem Pokalfinale mit dem Bewusstsein, dass es keine einfach Randnotiz in der Geschichte des Fußballs sein sein. Im Gegensatz zu einem Bundesligaspiel, vor dem keiner weiß, ob am Ende ein historischer Sieg oder ein langweiliges 0:0 steht, ob das Spiel ob seiner Kraft in das kollektive Fußballgedächtnis der Nation eingehen wird, weiß man, dass ein Pokalfinale sich in den Büchern wiederfinden wird und in den Gedächtnissen beider Fangruppen, auch wenn der in den Gedächtnissen anderer Anhänger sich schon "already written" ist.

Ticker: Temporär neues Design-Template des Blogs, da ich des Grüns überdrüssig geworden bin, ein individuelles Design werd ich mir in meiner freien Zeit wohl aneignen ... Das Wichtigste zu Beginn ... Scharping ist dieser Tage mal wieder ein armer Hund ... "Rags to riches" per Gerichtsbeschluss ... der Hitler-Blog findet einfach immer wieder Köstlichkeiten ... Für Joschi passend zum 30. Star-Wars-Geburtstag ... FCN-Huldigung bei SPIEGEL-Online ... Muss man sich noch wundern? ... die beste Analyse des CL-Finales ... natürlich neben meiner ... die ist aber auch net schlecht ... alle Teilnehmer an den Europapokalen auf einen Blick (ständig aktualisiert, gelb heißt Saison beendet, grün Saison läuft noch und blau Liga-Saison beendet, aber Pokalfinale kommt noch) ... Darth Vader war ein schwuler Fernsehkoch?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Klingt für mich nach Goethes Wilhelm Meister: "Alles Gescheite ist schon gedacht worden. Man muss nur versuchen, es noch einmal zu denken."

jedijoschi hat gesagt…

hurra! namentliche erwähnung! hat ja auch lang genug gedauert. und um bei goethe zu bleiben:

dunkler lord auf stillem ort

(quellenangabe wird nachgereicht)