Montag, Mai 28, 2007

Berlin, du bist so wunderbar, Berlin!

Selbst eine Woche nach dem Sieg im Olympiastadion fällt mir das Begreifen schwer. Obwohl ich den Pokal gesehen hab, Pinos Kopf darin verschwunden ist, 24 Kilo Konfetti durch die Luft flogen und auf der Anzeigentafel prangte "DFB-Pokalsieger 2007: 1. FC Nürnberg", schaff ich's erst so ganz langsam zu begreifen, dass aus dem dreimaligen DFB-Pokalsieger ein viermaliger DFB-Pokalsieger geworden ist, dass die ganzen Schals mit den Erfolgen veraltet sind und wir den Briefkopf ändern dürfen. Beim Abpfiff war der erste Gedanke: "Pokalsieger: So fühlt sich das also an." Es war definitiv ein Moment gemäß des Faustischen "Augenblick, verweile doch". Irgendwie auch ein Moment totaler geistiger Leere, da war nichts anderes als Freude im Kopf, sehr angenehm, hat definitiv Suchtpotential.

Dass der Pokal und damit auch sein Finale eigene Gesetze hat, ist so ausgelutscht, dass es nicht mal erwähnenswert ist. Nicht bewusst war mir, dass das auch für die Zuschauer gilt. Annette hab ich beim Fußball noch nie so abgehen sehen und auch ich bin glaub ich noch selten 120 Minuten fast nur gestanden und hab sooft wahrscheinlich auch nicht mitgesungen. Wobei sich das so ab dem 2:1 wieder relativiert hatte, da war eigentlich mehr Nervosität und ständiges auf die Anzeigentafel gucken angesagt, als Mitsingen. Die halbe Stunde zwischen 48. und 78. hatte was Bedrückendes. Mich beschlich immer mehr ein "Das zu verlieren wird höllisch weh tun"-Gefühl und anscheinend ging es vielen so, denn nach dem Stuttgarter Ausgleich war's irgendwie wieder lauter.

Ganz allgemein halten sich meine Erinnerungen an das Spiel irgendwie in Grenzen, das einzige, an was ich mich noch klar erinnern kann sind die Gedanken bei Kristiansens Schuss ("Der schießt, das sieht gut aus, der geht rein, DER GEHT REIN, DER IS DRIN!"), die Erinnerung an den Rest des Spiels besteht eher aus Zeitungsartikeln (erst nach der Lektüre von drei Sonntagszeitungen war ich mir sicher, dass das Spiel wirklich gut war und ich das nicht nur auf Grund meiner emotionalen Verwicklung so gesehen hab) und Youtube-Ausschnitten. Das Kristiansen-Tor hab ich glaub ich schon fünfzig Mal gesehen, man kann es aber gut und gerne fünftausend Mal ansehen, es wird nicht weniger schön dadurch. Überhaupt, Jan Kristiansen, Krölle, Ole oder auch "der Depp, der ko nix". Wunderbar passend, dass einer aus der zweiten Reihe "das Ding" macht und somit einen Platz in der Nürnberger Mythologie einnimmt. In 20 Jahren unter den nach dem 26.5.2007 geborenen (der Post-Pokal-Generation) wird sein Name immer noch fester Bestandteil sein, seine dreißig Spiele zuvor ohne Torerfolg vergessen. Vielleicht taucht er dann ja sogar in einer Choreo auf.

Dass das Pokalfinale das letzte Spiel der Saison war, ist wunderbar, ich könnte mir nicht vorstellen, wie nächstes oder letztes Jahr nach diesem Triumph noch mal in den Alltag zurückzumüssen. Jetzt ist also erst mal Pause, Sommerpause, fußballose Zeit. Na ja, eigentlich nicht wirklich, gibt ja U21-EM, UI-Cup, CL- und UEFA-Cup-Quali, Ligapokal, ja sogar eine DFB-Pokal-Runde bis zum Ligastart am 10.8. Wem das nicht reicht, der fährt halt nach Schweden oder Irland, oder Russland, dahin wo nach Kalenderjahr gespielt wird. Also: Man sieht sich in Göteborg.

Freitag, Mai 25, 2007

Always already written

In der Literaturtheorie gibt es einen Begriff des Theoretikers Roland Barthes, der auch über Wrestling ein Werk verfasst hat. Er spricht davon, dass es keine originäre, neue Literatur gibt, da alles "always already written" sei. Jeder Satz schon einmal gesagt, jeder Gedanke schon einmal gedacht. In Zustimmung zu dieser These mache ich mir keine Illusionen, dass irgendwelche Gedanken, die ich im Bezug auf das morgige "große Spiel" habe oder äußere, völlig neu sind und den geneigten Leser in ihrer Einsichtskraft erschlagen werden. Nein, jeder Anhänger jedes Finalteams hofft am Tage zuvor auf den Sieg, engt seine Gedanken auf das Spiel ein und plant Sieg und Niederlage im Kopf minutiös durch. Jegliche Trivialitäten werden zu wichtigen Fakten. Michael Weiner, der Schiedsrichter des Finales, zum Glücksbringer für den FCN (die wichtigen Siege unter ihm sind auffällig), der AC Mailand, der in weiß am Mittwoch siegte, zum Vorbild und die Tatsache, dass erst ein Team, das Double holen konnte, das in der Woche zuvor Meister wurde (Bayern 1985/86), zum Hoffnungsträger.

Letztlich sind wir jedoch tatsächlich hilflose Geschöpfe, die auf der Tribüne des Olympiastadion, vor den Leinwänden auf den Plätzen und auf den Sofas vor den Fernsehern sitzen, unsere allgemeine Stimmung ausgeliefert zweiundzwanzig bis achtundzwanzig mehr oder weniger jungen Männern und dem Zufall. Mehr als hoffen bleibt uns nicht, außer der Gewissheit das eigene Team tatsächlich in einem Finale erlebt zu haben. Jene Gewissheit führt bei mir zu einem ganz eigenen Art des historischen Bewusstseins. So wie man sich vor Abitur-, Führerschein- und Examensprüfungen bewusst werden kann, dass die Ergebnisse Teil der eigenen Identität werden, Teil der eigenen Geschichte, also einen Moment der eigenen Geschichtsschreibung darstellen, so reist man zu einem Pokalfinale mit dem Bewusstsein, dass es keine einfach Randnotiz in der Geschichte des Fußballs sein sein. Im Gegensatz zu einem Bundesligaspiel, vor dem keiner weiß, ob am Ende ein historischer Sieg oder ein langweiliges 0:0 steht, ob das Spiel ob seiner Kraft in das kollektive Fußballgedächtnis der Nation eingehen wird, weiß man, dass ein Pokalfinale sich in den Büchern wiederfinden wird und in den Gedächtnissen beider Fangruppen, auch wenn der in den Gedächtnissen anderer Anhänger sich schon "already written" ist.

Ticker: Temporär neues Design-Template des Blogs, da ich des Grüns überdrüssig geworden bin, ein individuelles Design werd ich mir in meiner freien Zeit wohl aneignen ... Das Wichtigste zu Beginn ... Scharping ist dieser Tage mal wieder ein armer Hund ... "Rags to riches" per Gerichtsbeschluss ... der Hitler-Blog findet einfach immer wieder Köstlichkeiten ... Für Joschi passend zum 30. Star-Wars-Geburtstag ... FCN-Huldigung bei SPIEGEL-Online ... Muss man sich noch wundern? ... die beste Analyse des CL-Finales ... natürlich neben meiner ... die ist aber auch net schlecht ... alle Teilnehmer an den Europapokalen auf einen Blick (ständig aktualisiert, gelb heißt Saison beendet, grün Saison läuft noch und blau Liga-Saison beendet, aber Pokalfinale kommt noch) ... Darth Vader war ein schwuler Fernsehkoch?