Sonntag, September 02, 2007

Bill Shankley schweigt

Die vergangene Woche hat in der Welt des Fußballs tiefe Wunden hinterlassen. Natürlich sterben täglich Menschen, natürlich ist jeder Tod für die Betroffenen tragisch, aber die Ereignisse in dieser Woche sagen für mich etwas mehr aus. Sie zeigen, dass Leute im Fußball eben doch, wenn es drauf ankommt, ein Gespür für Stil haben, was sich nicht immer in anderen Bereichen des Lebens finden lässt.

Am Samstag vor einer Woche starb der englische Juniorennationalspieler Ray Jones bei einem Autounfall. Das für diesen Tag angesetzte Spiel seiner Queens Park Rangers beim Burnley FC wurde natürlich abgesagt. Burnley reagierte spontan darauf und hielt ein Schautraining ab, dessen Einnahmen komplett an eine karitative Einrichtung nach Wahl des eigentlichen Gegners gingen. So was ist keineswegs selbstverständlich und zeigt meines Erachtens spontanes Taktgefühl. Noch erstaunlicher war es für mich als ich die Bilder des Spiels heute in Southampton sah. Für all die Kritik, die Fußballverbände oft zu Recht bekommen, in dem Fall hat die englische Liga alles richtig gemacht. Das gesamte Team durfte mit „Ray Jones“ auf dem Rücken anstelle des eigenen Namens auflaufen. Sah sehr ergreifend aus und hatte auf jeden Fall als Abschied Stil.

Was mich wahrscheinlich noch mehr beeindruckt hat, war wie man in Liverpool auf den tragischen Tod eines 11-jährigen Everton-Fans reagiert hat. Rhys Jones wurde am Mittwoch vor einer Woche auf dem Parkplatz eines Pubs erschossen, als er zwischen die Fronten eines Bandenkriegs geriet. Letzten Samstag reagierte Rhys’ Lieblingsverein damit seiner im Stadien zu gedenken. Doch nicht, wie üblich, mit einer Schweigeminute, sondern mit einer Minute Applaus. Herzergreifende und so unglaublich passende Idee. Niemand konnte das Gedenken versehentlich oder absichtlich stören und der oft heuchlerisch wirkende Bruch von Schweigeminute zu Anfeuerung fällt auch weg. Doch auch Evertons Lokalrivale ehrte den kleinen Fußballfan und die Reaktion hat mich noch mehr begeistert. Liverpool spielte vor dem Champions League Quali-Match gegen Toulouse tatsächlich Evertons Vereinshymne. Meiner Meinung nach die beste Reaktion und ein untrügliches Zeichen, dass die Stadt geschlossen gegen die Umstände steht, die für den Tod des Jungen verantwortlich sind.

Ähnlich vereinend war, was Antonio Puertas Tod in Sevilla ausgelöst hat. Puerta war sicherlich der bekannteste Fall der letzten Woche. Es ist ein wenig seltsam, wie manche Dinge einen mehr treffen als andere. Bei Puerta hat die eigentlich belanglose Tatsache, dass er in einem Spielstand beim Sega Fußball-Manager in meiner Mannschaft war, dafür gesorgt, dass ich etwas länger über der Nachricht verweilt bin. So waren die Bilder aus Sevilla unglaublich beeindruckend. Es war dort in diesem Moment völlig unerheblich, ob man den FC Sevilla oder Betis unterstützt; zwei Vereine, die wie selten anderswo in einer Stadt immer noch mit den Etiketten Oberschicht und Arbeiterklasse verbunden sind. So wie nach Superga ganz Turin zusammenrückte und nach München ganz Manchester trauerte, stand man gemeinsam in den Farben des jeweiligen Vereins vor dem Krankenhaus oder dem Stadion und hat das Leben eines 22-jährigen gefeiert, indem man seinen Namen immer und immer wieder rief. Alle Animositäten waren vergessen.

Jeder von uns, der den Fußball fanatisch verfolgt hat irgendwann mal gesagt, dass Fußball mehr als ein Spiel sei. In solchen Momenten merken wir zumindest, dass es wichtigeres gibt, dass Animositäten im Sport eben auf dem Feld bleiben und nichts zählen. Bei aller Kritik die Fußballfans (auch von mir) einstecken müssen, dafür das sie Idioten sind, in dieser Woche war ich stolz Fußballfan zu sein..