Freitag, Oktober 27, 2006

Respekt vor den Alten

Wenn man im Moment über den Glubb schreibt, müsste man circa fünfzig verschiedene Synonyme für unentschieden (Adjektiv und Substantiv) bereit haben und jenseits von „Gleichstand“, „Remis“, „dichotom“, „gespalten“, „uneins“, „zwiespältig“ und einigen Begriffen aus anderen Sprachen wie „empate“, „oavgjort“, match null“ oder „indecisive“ und „Tính từ“ ist mein Vokabular im Moment einfach nicht weit gefächert genug, um einen nicht- repetitiven Artikel zu verfassen. Daher ein paar etwas abschweifende Gedanken, die sich leider auch nicht mit der Meldung über die Entlassung eines Mitarbeiters von Steaua Bukarest wegen einer Penisverlängerung beschäftigen, denn den Witz in Sachen Spam-Mail hat mir leider Sport1 schon weggenommen.

Immer wieder begegne ich auf meinen Wanderungen im Internet (und bei Kommentaren von einem gewissen ehemaligen Bewohner von Feucht *g*) eine gewisse Geringschätzung, was die Leistungen der Teams betrifft, die vor 1963 Meister worden. Eine Geringschätzung, die durch die unglaublich respektlose und geschichtsvergessene „Sterne-Politik“ der DFL noch verstärkt wird. Zuweilen beschleicht mich das Gefühl, manch einer denkt man habe erst mit der Einführung der Bundesliga das Fußballspielen in Deutschland begonnen. Die Frage, wie man dann 1954 Weltmeister werden konnte, scheint im ersten Moment flapsig, ist aber letztlich ein wichtiger Indikator. Wie Ulrich Hesse-Lichtenberger in seiner ausgezeichneten Biographie des deutschen Fußballs „Tor!“ zu Recht schreibt, war dieser Titel eine unglaubliche Sensation. Ein Land oder eine landesweite Liga wird Weltmeister, das ist wohl ungefähr vergleichbar mit einem Titel Venezuelas heute. Das heißt, dass das endlos verzweigte Ligensystem von damals gut genug gewesen sein muss, um die besten Spieler der Welt hervorzubringen.

Sicher, die Niveauunterschiede waren nicht in allen Oberligen, die der Meisterrunde vorgeschalten war, gleich groß, so konnte zum Beispiel der HSV in den 50er und 60er Jahren sicher auch auf Grund der niedrigeren Leistungsdichte in der Oberliga Nord in die Meisterrunde vorrücken, während es gerade in der Südgruppe doch eine größere Dichte gab. Dennoch musste ein Team um Meister zu werden eine Reihe von verschiedenen Qualitäten haben. Gerade am Anfang der deutschen Meisterschaften, war sowohl die Konstanz der Mannschaft in den Ligen, die zur Qualifikation führten, gefordert, als auch die Qualitäten als Pokalmannschaft, in den Endrundenspielen. So holte der FC Bayern München zum Beispiel seinen ersten Titel aus 14 Ligaspielen und vier Endrundenspielen, bei der eine Niederlage bereits das Ende der Meisterträume bedeutete.

Später dann gab es zwar nur noch ein KO-Modus-Spiel, das Finale, dennoch war es für die Teams immer noch extrem schwer Meister zu werden, da dem Finale eine Qualifikationsrunde zum Finale zweimal vier Mannschaften vorangestellt war. Man musste also erst die regionale Konkurrenz in 30 Spielen ausschalten, dann die überregionale in sechs weitern hinter sich lassen (in einem Alter vor großem Scouting wohl gemerkt) und schließlich auch noch auf den Punkt genau fit und konzentriert sein um Meister zu sein. Die erforderliche Mischung aus Konstanz und punktueller Konzentration wird sehr deutlich.

Ja, gerade der KO-Modus bringt auch so historische Kuriositäten wie die Meisterschaft von Hannover 96 im Jahre 1954 als man den 1. FC Kaiserslautern, der im Sommer darauf das Rückgrat der Weltmeistertruppe stellte, im Finale bezwang. Aber genau diese Kuriositäten zeigen auch wie unglaublich schwer es war Meister zu werden. Man kann das nun als Fehler des Systems bezeichnen, da nicht immer die beste Mannschaft den Titel holte, aber diesen Fehler macht auch noch heute das System zur Ermittlung des weltbesten Teams und da wird es auch ohne großes Murren anerkannt.

Jener Weltmeistertitel wird übrigens heutzutage auch anders ausgespielt als 1930, 1934 oder 1950, dennoch käme niemand auf die Idee nur Frankreich, Brasilien und Italien als Weltmeister anzusehen, weil nur diese nach dem aktuellen Modus Meister wurden. Doch beim Meistertitel in Deutschland meinen einige (auch in der DFL), dass man das anders sehen könnte. Warum man derart geschichtsvergessen zu Werke geht, bleibt allerdings ein Geheimnis, genau wie die Frage was Unentschieden eigentlich auf Klingonisch heißt.

Montag, Oktober 16, 2006

Walk-on through the rain ...

Im Bereich des US-College-Sports gibt es eine ganz spezielle Bezeichnung für eine spezielle Art Spieler. Ein walk-on ist ein Spieler, der vorher nie beobachtet wurde, kein Stipendium hat, aber trotzdem einen Platz im Kader erhält. Für das unglaublich detaillierte System des "Universitätssports" in den USA, bei dem Spieler schon mit 15 in nationale Ranglisten geordnete werden, ist ein erfolgreicher walk-on, der nicht nur als Rammbock für die 150-Kilo-Monster im Football-Training dient, also ein seltenes Ereignis. Natürlich gibt es sie, wie den New York Giants Center Shaun O'Hara oder NBA-All-Star Walt “Clyde” Frazier, aber ein Spieler, der nur durch ein Vorspielen und harte Arbeit zum zentralen Element seines Teams wird, ist fast ausgeschlossen.

In Nürnberg hat es einer auf den die Beschreibung walk-on fast perfekt passt geschafft. Am 25.Mai 2005 erschien beiläufig auf der Homepage des FCN folgende Passage zu einem der unzähligen, völlig wertlosen Nach-Saison-Freundschaftsspiele, in diesem Fall gegen den FSV Bad Windsheim: "Getestet wurde in der Begegnung in Bad Windsheim mit Jawhar Mnari ein defensiver Mittelfeldspieler. Der 30-malige tunesische Nationalspieler, geboren am 8. November 1976, spielte in seiner Heimat für Union Monastir und Esperance de Tunis; mit Tunesien wurde er im vergangenen Jahr Afrika-Meister. Mnari trug sich mit zwei Treffern gleich in die Torschützenliste ein."

Ein einziges Vorspielen genügte den Verantwortlichen des FCN, fünf Tage später meldete der Verein Vollzug. Zu diesem Zeitpunkt hatte - jenseits des Testeinsatzes in der fränkischen Provinz - niemand in den deutschen Medien je von Mnari gehört und doch die fränkische Freimaulfrikadelle Günther Koch schwärmte schon bald vom Tunesier, er sei der "BESTE NEUZUGANG (seit Jahren ..!) [...] Was dieser tunesische Nationalspieler [...] alles kann-einfach traumhaft: Ballannahme, elegante Zweikampfstärke, Überblick, Spieleröffnung und sogar Ruhe vor dem Abschluss. Dazu eine wunderbare Bewegungssicherheit. [...] An dem werden wir noch viel Freude haben!" Anfangs schien es noch, als habe Koch nicht nur die Bodenhaftung, sondern auch die Haftschalen verloren, Mnari hatte soviele Schwierigkeiten mit der Umstellung auf das Tempo der Bundesliga wie die deutschen Fans mit der Aussprache seines Namens. Doch mit der Zeit akklimatisierte sich der Tunesier zusehends und Koch behielt doch recht. Der Spruch vom blinden Huhn, scheint hier angebracht.

Die letzten eineinhalb Partien ohne ihn haben dann in "wunderbar" anschaulicher Weise erst gezeigt wie wichtig "Joe" für die Mannschaft ist. Nicht nur, dass ohne ihn Jan Polak entraler spielen muss, nein auch die defensive Zentrale ist ohne ihn wackliger. Seine unglaubliche Übersicht und Ballsicherheit gibt dem Spiel des FCN mehr Ruhe und Überlegtheit. Eigentlich fast völlig unfassbar, dass diese Zusatzverpflichtung, die damals von Wolfgang Wolf getätigt wurde, nicht den Weg von Chedli, Öztürk, Mandra, Vlademir, Fernando, Todorovic, Kromheer, Niestroj oder Hellinga gegangen ist, sondern - trotz eines tschechischen Nationalelfkapitäns, eines slowakischen Wundersturms oder eines argentinischen Wadenbeißers - zum wichtigsten Mann im Team des jetzigen Tabellensechsten und Zweiten der Remistabelle avanciert ist. Vom Walk-On zum Schlüsselspieler, Jaouhar Mnari.

Mittwoch, Oktober 11, 2006

Mein Tag als Vaterlandsverräter

Ahojte. Ako sa más?

Die einen sind der Schweinsteiger, der Podolski und der Frings, die anderen Marek und Robo. Für die einen interessiert man sich eigentlich nur einmal – als Gegner, die anderen unterstützt man jede Woche, jeden Tag, leidet und freut sich mit ihnen, sorgt sich um ihre Gesundheit. Und dann plötzlich soll man das alles überbord werfen, nur weil man ein paar Kilometer westlich geboren ist? Eigene Spieler in "falschen", nicht mit der Nationalität des Vereins übereinstimmenden Nationalmannschaften an sich sind schon ein ganz eigenes Konzept - vielleicht auch nur solang man nicht wie gewisse Vereine ausschließlich Nationalspieler hat - aber bei den beiden ist es noch viel "schlimmer". Die Spieler, die wie keine anderen für die Auferstehung des Ersten Fußballclubs Nürnberg stehen, denen soll ich eine Niederlage wünschen? Nein, egal wie oft ich an den Sommer 2006 zurückdenke, die geile Zeit mit Schweini, Poldi und Fringsi, es gibt mir nicht genug Überwindung blitzartig umzuschalten und mich über eine Niederlage von Marek und Robert freuen zu können. Vom Selbstvertrauen aus diesem Spiel können gut und gerne unsere Saison und meine Laune abhängen. Das soll ich aufgeben, für ein bisschen (Party-?)Patriotismus?

In diesem Sinne.
Forza Slovakia