Montag, Oktober 16, 2006

Walk-on through the rain ...

Im Bereich des US-College-Sports gibt es eine ganz spezielle Bezeichnung für eine spezielle Art Spieler. Ein walk-on ist ein Spieler, der vorher nie beobachtet wurde, kein Stipendium hat, aber trotzdem einen Platz im Kader erhält. Für das unglaublich detaillierte System des "Universitätssports" in den USA, bei dem Spieler schon mit 15 in nationale Ranglisten geordnete werden, ist ein erfolgreicher walk-on, der nicht nur als Rammbock für die 150-Kilo-Monster im Football-Training dient, also ein seltenes Ereignis. Natürlich gibt es sie, wie den New York Giants Center Shaun O'Hara oder NBA-All-Star Walt “Clyde” Frazier, aber ein Spieler, der nur durch ein Vorspielen und harte Arbeit zum zentralen Element seines Teams wird, ist fast ausgeschlossen.

In Nürnberg hat es einer auf den die Beschreibung walk-on fast perfekt passt geschafft. Am 25.Mai 2005 erschien beiläufig auf der Homepage des FCN folgende Passage zu einem der unzähligen, völlig wertlosen Nach-Saison-Freundschaftsspiele, in diesem Fall gegen den FSV Bad Windsheim: "Getestet wurde in der Begegnung in Bad Windsheim mit Jawhar Mnari ein defensiver Mittelfeldspieler. Der 30-malige tunesische Nationalspieler, geboren am 8. November 1976, spielte in seiner Heimat für Union Monastir und Esperance de Tunis; mit Tunesien wurde er im vergangenen Jahr Afrika-Meister. Mnari trug sich mit zwei Treffern gleich in die Torschützenliste ein."

Ein einziges Vorspielen genügte den Verantwortlichen des FCN, fünf Tage später meldete der Verein Vollzug. Zu diesem Zeitpunkt hatte - jenseits des Testeinsatzes in der fränkischen Provinz - niemand in den deutschen Medien je von Mnari gehört und doch die fränkische Freimaulfrikadelle Günther Koch schwärmte schon bald vom Tunesier, er sei der "BESTE NEUZUGANG (seit Jahren ..!) [...] Was dieser tunesische Nationalspieler [...] alles kann-einfach traumhaft: Ballannahme, elegante Zweikampfstärke, Überblick, Spieleröffnung und sogar Ruhe vor dem Abschluss. Dazu eine wunderbare Bewegungssicherheit. [...] An dem werden wir noch viel Freude haben!" Anfangs schien es noch, als habe Koch nicht nur die Bodenhaftung, sondern auch die Haftschalen verloren, Mnari hatte soviele Schwierigkeiten mit der Umstellung auf das Tempo der Bundesliga wie die deutschen Fans mit der Aussprache seines Namens. Doch mit der Zeit akklimatisierte sich der Tunesier zusehends und Koch behielt doch recht. Der Spruch vom blinden Huhn, scheint hier angebracht.

Die letzten eineinhalb Partien ohne ihn haben dann in "wunderbar" anschaulicher Weise erst gezeigt wie wichtig "Joe" für die Mannschaft ist. Nicht nur, dass ohne ihn Jan Polak entraler spielen muss, nein auch die defensive Zentrale ist ohne ihn wackliger. Seine unglaubliche Übersicht und Ballsicherheit gibt dem Spiel des FCN mehr Ruhe und Überlegtheit. Eigentlich fast völlig unfassbar, dass diese Zusatzverpflichtung, die damals von Wolfgang Wolf getätigt wurde, nicht den Weg von Chedli, Öztürk, Mandra, Vlademir, Fernando, Todorovic, Kromheer, Niestroj oder Hellinga gegangen ist, sondern - trotz eines tschechischen Nationalelfkapitäns, eines slowakischen Wundersturms oder eines argentinischen Wadenbeißers - zum wichtigsten Mann im Team des jetzigen Tabellensechsten und Zweiten der Remistabelle avanciert ist. Vom Walk-On zum Schlüsselspieler, Jaouhar Mnari.