Montag, Juni 08, 2009

Europawahl in Deutschland - kompakt

Nachdem ich gestern den ganzen Abend (und die halbe Nacht) damit verbracht hab, die Europawahlberichterstattung zu verfolgen, hab ich die Ergebnisse mal zusammengefasst. Vielleicht lässt sich das für den ein oder anderen ja verwenden:

- Vorläufiges Endergebnis
- Ergebnisse der Bundesländer
- Gewählte Abgeordnete
- Anzahl der Kandidaten nach Bundesländern
- Eigene Gedanken zur Wahl


*Vorläufiges Endergebnis*



CDU 30,7% (8.069.983 Stimmen), SPD 20,8% (5.471.703 Stimmen), GRÜNE 12,1% (3.193.821 Stimmen), FDP 11,0% (2.887.331 Stimmen), DIE LINKE 7,5% (1.968.325 Stimmen), CSU 7,2% (1.896.777 Stimmen), Freie Wähler 1,7% (441.726 Stimmen), Republikaner 1,3% (347.897 Stimmen), Die Tierschutzpartei 1,1% (289.572 Stimmen), Familienpartei 1,0% (252.149 Stimmen), Piratenpartei 0,9% (229.117 Stimmen), Rentnerpartei 0,8% (212.113 Stimmen), ödp 0,5% (134.853 Stimmen), alle anderen unter 0,5% - Wahlbeteiligung: 43,3% (26.924.834 Wähler), ungültige Stimmen: 2,2% (596.683 Stimmen)


*Ergebnisse der Bundesländer*



Baden-Württemberg:
CDU 38,7%, SPD 18,1%, GRÜNE 15,0%, FDP 14,1%, DIE LINKE 3,0% - Wahlbeteiligung: 51,9% (-1,2)

Bayern:
CSU 48,1%, SPD 12,9%, GRÜNE 11,5%, FDP 9,0%, Freie Wähler 6,7%, DIE LINKE 2,3% - Wahlbeteiligung: 42,4% (+2,7)

Berlin:
CDU 24,3%, GRÜNE 23,6%, SPD 18,8%, DIE LINKE 14,7 %, FDP 8,7% - Wahlbeteiligung: 35,1% (-3,1)

Brandenburg:
DIE LINKE 26,0%, SPD 22,8%, CDU 22,5%, GRÜNE 8,4%, FDP 7,4% - Wahlbeteiligung: 29,9% (+3,0)

Bremen:
SPD 29,3%, CDU 24,5%, GRÜNE 22,1%, FDP 8,9%, DIE LINKE 7,2% - Wahlbeteiligung: 38,9% (+1,6)

Hamburg:
CDU 29,7%, SPD 25,4%, GRÜNE 20,5%, FDP 11,1%, DIE LINKE 6,7 % - Wahlbeteiligung: 34,7% (-0,2)

Hessen:
CDU 36,4%, SPD 24,4%, GRÜNE 15,0%, FDP 12,6%, DIE LINKE 3,9% - Wahlbeteiligung: 37,9% (+0,2)

Mecklenburg-Vorpommern:
CDU 32,3%, DIE LINKE 23,5%, SPD 16,7%, FDP 7,6%, GRÜNE 5,5% - Wahlbeteiligung: 46,5% (+1,4)

Niedersachsen:
CDU 39,2%, SPD 27,2%, GRÜNE 12,5%, FDP 10,2%, DIE LINKE 4,0% - Wahlbeteiligung: 40,5% (+0,4)

Nordrhein-Westfalen:
CDU 38,0%, SPD 25,6%, GRÜNE 12,5%, FDP 12,3 %, DIE LINKE 4,6% - Wahlbeteiligung: 41,8% (+0,7)

Rheinland-Pfalz:
CDU 39,9 %, SPD 25,7%, FDP 11,1%, GRÜNE 9,5%, DIE LINKE 3,5% - Wahlbeteiligung: 55,6% (-2,7)

Saarland:
CDU 35,9%, SPD 26,6%, DIE LINKE 12,0%, FDP 8,1%, GRÜNE 7,7% - Wahlbeteiligung: 58,6% (+1,4)

Sachsen:
CDU 35,3%, DIE LINKE 20,1%, SPD 11,7%, FDP 9,8%, GRÜNE 6,7% - Wahlbeteiligung: 47,6% (+1,5)

Sachsen-Anhalt:
CDU 29,1%, DIE LINKE 23,6%, SPD 18,1%, FDP 8,6%, GRÜNE 5,4% - Wahlbeteiligung: 37,8% (-4,2)

Schleswig-Holstein:
CDU 37,9%, SPD 24,6%, GRÜNE 13,5%, FDP 12,7%, DIE LINKE 3,9% - Wahlbeteiligung: 36,8% (+0,4)

Thüringen:
CDU 31,1%, DIE LINKE 23,8%, SPD 15,7%, FDP 8,2%, GRÜNE 5,8% - Wahlbeteiligung: 53,0% (-0,7)


*Gewählte Abgeordnete (61 Männer/38 Frauen)*



CDU 34 (26 Männer/8 Frauen - Burkhard Balz; Reimer Böge; Elmar Heinrich Brok; Daniel Caspary; Dr. Jan Christian Ehler; Karl-Heinz Florenz; Michael Gahler; Dr. Ingeborg Gräßle; Dr. Dieter Peter Jahr; Elisabeth Jeggle; Christa Klaß; Dr. Dieter-L. Koch; Werner Kuhn; Dr. Werner Langen; Kurt Lechner; Klaus-Heiner Lehne; Dr. Hans-Peter Liese; Thomas Mann; Prof. Dr. Hans-Peter Mayer; Doris Pack; Dr. Markus Pieper; Prof. Dr. Hans-Gert Pöttering; Dr. Godelieve Quisthoudt-Rowohl; Herbert Otto Reul; Dr. Kurt Oswald Horst Schnellhardt; Birgit Schnieber-Jastram; Dr. Andeas Schwab; Dr. Renate Thekla Walburga Maria Sommer; Dr. Thomas Ulmer; Sabine Verheyen; Axel Voß; Rainer Wieland; Hermann Winkler; Joachim Zeller)

CSU 8 (4 Männer/4 Frauen - Markus Ferber; Dr. Angelika Niebler; Dr. Anja Weisgerber; Manfred Weber; Albert Deß; Monika Hohlmeier; Bernd Posselt; Martin Kastler)

SPD 23 (13 Männer/10 Frauen - Martin Schulz; Evelyne Gebhardt; Bernhard Rapkay; Jutta Haug; Wolfgang Kreissl-Dörfler; Bernd Lange; Jutta Steinruck; Udo Bullmann; Dagmar Reichenbach; Jens Geier; Matthias Groote; Ulrike Rodust; Peter Simon; Petra Kammerevert; Kerstin Westphal; Josef Leinen; Barbara Weiler; Knut Fleckenstein; Birgit Sippel; Ismail Ertug; Norbert Glante; Constanze Krehl; Norbert Neuser)

GRÜNE 14 (7 Männer/7 Frauen - Rebecca Harms; Reinhard Bütikofer; Heidemarie-Rose Rühle; Sven Giegold; Barbara Elisabeth Lochbihler; Michael Cramer; Franziska Maria Keller; Werner Gustav Schulz; Dr. Helga Trüpel; Martin Häusling; Franziska Katharina Brantner; Jan Philipp Albrecht; Elisabeth Schroedter; Gerald Häfner)

FDP 12 (7 Männer/5 Frauen - Dr. Silvana Koch-Mehrin; Alexander Graf Lambsdorff; Dr. Georgios Chatzimarkakis; Dr. Wolf Klinz; Gesine Meißner; Alexander Pickart Alvaro; Holger Krahmer; Michael Theurer; Nadja Hirsch; Jürgen Creutzmann; Alexandra Thein; Britta Reimers)

LINKE 8 (4 Männer/4 Frauen - Dr. Lothar Bisky; Sabine Wils; Gabriele Zimmer; Thomas Händel; Dr. Cornelia Ernst; Jürgen Klute; Sabine Lösing; Helmut Scholz)



*Anzahl der Kandidaten nach Bundesländern*



Baden-Württemberg:
13 (6 CDU, 2 SPD, 3 GRÜNE, 2 FDP)

Bayern:
15 (8 CSU, 2 SPD, 2 GRÜNE, 1 FDP, 1 LINKE)

Berlin:
5 (je 1 CDU, SPD, GRÜNE, FDP, LINKE)

Brandenburg:
5 (1 CDU, 1 SPD, 2 GRÜNE, 1 LINKE)

Bremen:
1 (GRÜNE)

Hamburg:
3 (1 CDU, 1 SPD, 1 LINKE)

Hessen:
5 (2 CSU, 1 SPD, 1 GRÜNE, 1 FDP)

Mecklenburg-Vorpommern:
1 (CDU)

Niedersachsen:
10 (4 CDU, 2 SPD, 2 GRÜNE, 1 FDP, 1 LINKE)

Nordrhein-Westfalen:
21 (9 CDU, 7 SPD, 1 GRÜNE, 3 FDP, 1 LINKE)

Rheinland-Pfalz:
6 (3 CDU, 2 SPD, 1 FDP)

Saarland:
2 (1 CDU, 1 SPD)

Sachsen:
6 (2 CDU, 1SPD, 1 GRÜNE, 1 FDP, 1 LINKE)

Sachsen-Anhalt:
1 (CDU)

Schleswig-Holstein:
2 (1 CDU, 1 SPD)

Thüringen:
2 (1 CDU, 1 LINKE)


*Abschließende eigene Gedanken*



Für aussagekräftig im Bezug auf den September halte ich die Zahlen nicht, auch wenn deutlich wird, dass die SPD ein enormes Mobilisierungsproblem hatte und die Frage ist, ob sich das im September nicht wiederholen wird. Der Finanzhai, so viel steht fest, war ein Wahlkampfflop. In fünf Bundesländern (alle Bundesländer, die 1990 dazu kamen oder erweiter wurden, außer Brandenburg) ist die SPD nicht einmal zweitstärkste Kraft. Das nur auf fehlende Mobilität zu schieben, wäre in meinen Augen blauäugig und gefährlich.

Ebenso gefährlich halte ich die Strategie, die Generalsekretär Hubertus Heil am Wahlabend und auch heute in den Medien fuhr. Immer wieder betonte er, dass er den Begriff des "bürgerlichen Lagers" nicht akzeptiere, da er selbst Bürger sei. Sollte das zur Wahlkampfstrategie der SPD gehören, ist es nicht nur fahrlässig, weil man da - wie mit Finanzhaikampagne - mehr über den Gegner spricht als über sich selbst, sondern auch realitätsfern. Der Begriff des bürgerlichen Lagers dient als Abgrenzung zum linken Lager, da der Begriff des "rechten Lagers" im politischen Deutschland anders besetzt ist; auch in der Soziologie und der Geschichte ist der Begriff des Bürgerlichen eindeutig besetzt. Heil und die SPD wären gut beraten dieses Fass nicht zu öffnen.

Außer der Linken, die aus der Krise wie alle europäischen Linken kein Kapital schlagen kann, und eben der SPD können sich alle anderen Parteien, trotz der geringen Wahlbeteiligung, als Sieger fühlen. Die CDU ist stärkste Kraft, die CSU ist fast wieder bei 50% in Bayern, die FDP legt kräftig zu und die Grünen erhalten die drittmeisten Stimmen. Insgesamt fällt bei der Analyse der Pressestimmen auf, dass einige das Ergebnis der FDP mit der Tatsache verbinden, dass sie genuinen Europawahlkampf betrieben hätte, schließlich habe man mit Frau Koch-Mehrin plakatiert. Dieser Interpretation steht aber die von denselben Medien betriebene Demoskopie entgegen, die behauptet, dass Europa für die wenigsten wahlentscheidend war. Vielmehr scheinen die Liberalen ganz generell immer noch im Aufwind und ihr Ergebnis vom Sonntag könnte sich im September nicht nur wiederholen, sondern sogar etwas höher ausfallen. Auch bei den anderen Parteien könnten zumindest die Zehnerstellen der Prozentergebnisse gleich aussehen, auch wenn dies vor dem Beginn des echten Wahlkampfs noch Kaffeesatzleserei ist.

Was erwartet Deutschland also noch in den kommenden 110 Tagen? Neue Plakat- und Werbeorgien, so viel ist sicher; nur der Comic-Finanzhai, den ich persönlich sehr liebgewonnen habe, wird wohl in der Tonne verschwinden. Eine klare Koalitionsaussage der CDU zur FDP scheint auch sicher; beide Spitzenkandidaten bemühen auffällig oft, so oft, dass es Strategie erscheint, den Begriff der Mitte in ihren Reden. Auch ein spannendes Rennen bis zum Ende scheint gewährleistet, etwas anderes gäbe das Fünfparteiensystem auch gar nicht her. Die für den Beobachter spannendste Frage ist sicherlich, wie die SPD mit diesen Ergebnissen umgeht? Schwenkt sie, wie Heils Verhalten (und Generalsekretäre sind in der Regel gute Barometer) in den letzten Tagen anzudeuten scheint, auf einen Lagerwahlkampf um? Oder gibt es das, was sich Regierungswahlkampf nennt? Also, u.a., das Verdeutlichen der eigenen Stärke im Regierungshandeln?

Beide Strategien bergen gewisse Risiken, doch ein Lagerwahlkampf erscheint aus einer Regierung mit einer Partei aus dem anderen Lager als strategischer Fehler. Wenn das andere Lager so böse, so unfähig, so unsozial ist, warum regiert man dann immer noch mit ihm? Persönlich halte ich diese Frage für die entscheidende, denn sie zeigt auch, dass in diesem Wahlkampf, wie im letzten, die SPD die Schlüsselrolle einnimmt.

Und jetzt habe ich das selbe gemacht, wie alle Kommentatoren in den Medien auch, nämlich eigentlich gar nicht über die Europawahl geredet, sondern die Bundestagswahl in den Mittelpunkt gerückt. Das mag daran liegen, das man gerne nach vorne und weniger gerne zurückschaut oder einfach daran, dass den meisten - trotz allen Bemühens - die Politik in der eigenen Nation einfach doch näher liegt. Sie war ja auch für die meisten wahlentscheidend.

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